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Vorerbe: So funktioniert die Erbschaft auf Zeit

Die Vorerbschaft ist eine komplexe Form der Nachlassregelung.Setzt ein Erblasser einen Vorerben im Testament ein, erhält der Vorerbe den Nachlass nur so lange, bis er diesen zu einem bestimmten Zeitpunkt dem designierten Nacherben – auch Schlusserbe genannt – zur Verfügung stellen muss. In diesem Lexikonbeitrag erfahren Sie, wie diese Art der Erbschaft funktioniert und was Sie dabei insbesondere mit Blick auf das Vererben von Immobilien berücksichtigen müssen.

Sie fragen sich: Was ist ein Erblasser? In unserem Lexikon finden Sie eine ausführliche Definition für die Bezeichnung Erblasser, die den Verstorbenen meint, der einen Nachlass an seine Erben abgibt.

Was ist ein Vorerbe?

Vielleicht sind Sie selbst schon mal darauf gestoßen oder haben von dem Begriff gehört – doch was heißt Vorerbe im Testament eigentlich?

Die gesetzlichen Bestimmungen über Vor- und Nacherben sind festgehalten im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), genauer gesagt finden sich die einzelnen Regelungen ab Paragraf 2100 BGB. Von uns erhalten Sie im Folgenden Erklärungen der wichtigsten praktischen Bestimmungen, die der Gesetzgeber für Vorerben und Nacherben erlassen hat. 

Ein Erblasser verfügt über viele Freiheiten, wenn es darum geht, im Testament seine Erben zu benennen. So hat er zum Beispiel die Möglichkeit festzulegen, in welcher Reihenfolge Personen sein Vermögen erben. Im Rahmen dieser sogenannten Vor- und Nacherbschaft erbt zunächst eine Person A das Vermögen. Gleichzeitig jedoch wird ein Zeitpunkt definiert, an dem das Erbe an Person B weitergegeben wird. Häufig, aber nicht zwangsweise, ist dieser Termin der Tod des Vorerben.

Das lässt sich anhand eines exemplarischen Szenarios veranschaulichen:

Die Erblasserin Erika Mustermann ist Ehefrau und Mutter. Sie benennt in ihrem Testament ihren Ehemann Max Mustermann als Vorerben. Gleichzeitig verfügt sie, dass ihr Sohn Junior Mustermann der Nacherbe ist. Nun hat sie die Option, einen konkreten Zeitpunkt für die Übergabe des Erbes zu definieren. Tut sie das nicht, gilt automatisch der Tod des Vorerben Max Mustermann als Datum, an dem der Nacherbe Junior Mustermann das Vermögen erhält.

Alternativ kann der Erblasser beispielsweise verfügen, dass der Schlusserbe den Nachlass erhält, sobald dieser das 25.Lebensjahr vollendet hat, seinen Schulabschluss gemacht hat oder wenn er geboren wurde. Denn durch die Vorerbe-Nacherbe-Regelung trägt ein Erblasser Sorge dafür, dass seine zukünftigen Enkel ebenso etwas vom Erbe haben. Wenn eine Person zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geboren wurde, kann sie sonst nicht berücksichtigt werden – das sieht das Gesetz für gewöhnlich nicht vor.

Der Vorerbe verwaltet den Nachlass des Erblassers.

Welche Rechte und Verpflichtungen hat der Vorerbe?

Aufgrund der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Vorerbe und Nacherbe herrschen gewisse Einschränkungen dahingehend, wie ersterer mit dem Nachlass umgehen darf. Es existieren zudem verschiedene Arten von Vorerben, die sich hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten deutlich voneinander unterscheiden. Der Standardfall spricht von einem beschränkten Vorerben.

Beschränkter Vorerbe

Wenn der Erblasser die Rolle des Vorerben nicht anderweitig definiert, handelt es sich immer um einen beschränkten Vorerben. Das heißt – wie der Name bereits besagt –, dass er nur sehr beschränkt mit dem geerbten Vermögen umgehen darf. Zwar ist es ihm erlaubt, von dem Erbe zu profitieren, etwa in Form von Mieteinnahmen oder Zinsen. Damit aber der Nacherbe den Nachlass in voller Höhe erhält, darf der Vorerbe nicht frei darüber verfügen. 

Konkret ist es dem Vorerben beispielsweise verboten, das Vermögen einfach zu verschenken. Schließlich soll sichergestellt werden, dass dem Wunsch des Erblassers über den gesamten Zeitraum hinweg entsprochen wird und gewisse Vermögenswerte den Nacherben tatsächlich erreichen. Außerdem besteht für den Vorerben eine Auskunftspflicht gegenüber dem Nacherben: Er hat ihm auf Anfrage Auskunft über den aktuellen Vermögensbestand zu geben. Darüber hinaus existieren spezielle Vorschriften für den Umgang mit vererbten Immobilien, wozu Sie im Weiteren detailliertere Informationen finden.

Befreiter Vorerbe

Neben dem beschränkten Vorerben gibt es noch den sogenannten befreiten Vorerben. Doch was ist ein befreiter Vorerbe? Und was darf ein befreiter Vorerbe und was nicht? Zunächst einmal muss ein Vorerbe explizit im Testament vom Nachlasser befreit werden, um diesen Status zu erhalten – andernfalls gilt er als nicht-befreiter Vorerbe. Wenn jedoch die Befreiung geschehen ist, hat der befreite Vorerbe weitestgehende Freiheit darüber, wie er mit dem Erbe umgeht. Es ist ihm gesetzlich erlaubt, den Nachlass zu nutzen und zu verbrauchen. In solchen Fällen kommt es durchaus vor, dass der Nacherbe einen geringeren Nachlass erhält als der Vorerbe vor ihm. 

Nichtsdestotrotz unterliegt auch ein befreiter Vorerbe gewissen Pflichten gegenüber dem Nacherben. So gilt genauso in diesem Fall die Auskunftspflicht über den Nachlassbestand. Überdies kann er zu Schadensersatz verpflichtet werden, wenn er Vermögenswerte aus dem Erbe einfach verschenkt oder den Nacherben bewusst benachteiligt.

Der Vorerbe hat bei Immobilien nur eingeschränkte Rechte.

Welche Regeln muss ein beschränkter Vorerbe bei einer Immobilie beachten?

Vornehmlich beim Erben und Vererben von Immobilien existieren klare Vorschriften, was der beschränkte Vorerbe darf und was nicht. Ihm ist es nämlich grundsätzlich verboten, über die zum Erbe gehörenden Immobilien zu verfügen. Damit ist gemeint, dass es ihm zum Beispiel nicht gestattet ist, die Immobilie zu verkaufen. Dies findet sich in Paragraf 2113 Abs. 1 BGB: „Die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück […] ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde.“ Daraus folgt in der Praxis, dass der Vorerbe die geerbte Immobilie nicht ohne die Zustimmung des Nacherben verkaufen darf.

Um rechtliche Klarheit zu schaffen, wird der Nacherbe in Form eines Nacherbenvermerks im Grundbuch eingetragen. Das ist vor allem für potenzielle Käufer der Immobilie von Bedeutung, da der Kauf ohne die nötige Zustimmung des Nacherben ungültig wäre. Sobald die Immobilie auf den Nacherben übertragen wurde, kann der Vermerk aus dem Grundbuch entfernt werden.


Gut zu wissen:

Eine entsprechend designierte Person kann statt des Vorerben auf ihren Pflichtteil bestehen, insofern sie dazu berechtigt ist. Normalerweise führt das Ausschlagen eines Erbes stets zum Verlust des Pflichtteils. Mehr Informationen zu diesem Anspruch finden Sie in unserem Lexikonartikel Pflichtteil: Gesetzlicher Mindestanspruch auf die Erbschaft. Da es sich beim Vorerbe um ein sogenanntes beschwertes Erbe handelt, bleibt der Anspruch auf den Pflichtanteil auch beim Ausschlagen der testamentarisch verfügten Vorerbschaft erhalten.

Vorerbe und Nacherbe: die Nachteile und Vorteile

Zu den Vorteilen der Vorerbe-Regelung zählt, dass der Erblasser große Kontrolle darüber hat, wie seine Erben mit seinem Nachlass umgehen. Er kann dafür sorgen, dass noch seine Enkel oder andere, von ihm bestimmte Personen von dem Erbe profitieren. Ebenso den Grad der Verwaltungsmöglichkeiten kann der Erblasser festlegen, indem er das Modell entweder als beschränkte oder befreite Vorerbschaft etabliert. 

Ein Nachteil beim Vorerbe ist die Erbschaftssteuer: Obwohl es sich um ein gesammeltes Vermögen handelt, das vom Erblasser über den Vorerben zum Nacherben weitergegeben wird, werden beide Erbvorgänge steuerlich einzeln behandelt. Demnach hat auf denselben Nachlass zunächst der Vorerbe Erbschaftssteuer zu zahlen und dann der Nacherbe.

Gut zu wissen:

Ein Vorerbe kann dem Nacherben auch einzelne Gegenstände übertragen, bevor der Nacherbfall eintritt. Die Objekte, die der Vorerbe durch Schenkung an den Nacherben abgibt, fallen dann nicht mehr unter den Nachlass bei der Weitergabe des Erbes und die damit einhergehende Erbschaftsteuer, sondern unterliegen der Schenkungssteuer.

Mit dem Vorerbe über mehrere Generationen planen

Das Vorerbe kann dazu eingesetzt werden, um über mehrere Generationen hinweg genau zu bestimmen, welche Personen am Nachlass teilhaben sollen. Überdies kann es motivierend wirken, wenn der Erblasser es an Bedingungen wie einen erfolgreichen Schulabschluss für den Nacherben knüpft. Allerdings ist die Rolle des Vorerben mitunter undankbar, wird dieser lediglich zur Verwaltung des Vermögens eingesetzt. Zudem gehen mit einer Vorerbschaft zahlreiche Regelungen und rechtliche Hürden einher, die der Vorerbe kennen sollte – insbesondere beim Umgang mit Immobilien. Aus diesen Gründen wird die Vor- und Nacherbschaftsfolge heutzutage nur noch selten genutzt.

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